„Deshalb werde ich einen Kommissar für die Region ernennen und gemeinsam mit [der designierten EU-Chefdiplomatin] Kaja Kallas eine neue Agenda für den Mittelmeerraum vorschlagen – denn die Zukunft der beiden Mittelmeeranrainer ist ein und dieselbe.“
In ihrem politischen Programm für die nächste fünfjährige Amtszeit schlägt von der Leyen vor, dass sich das neue Ressort „auf Investitionen und Partnerschaften, wirtschaftliche Stabilität, die Schaffung von Arbeitsplätzen, Energie, Sicherheit, Migration und andere Bereiche von gegenseitigem Interesse unter Wahrung unserer Werte und Grundsätze“ konzentrieren soll.
Naher Osten im Fokus
In ihrer Rede versprach von der Leyen außerdem, dem Krieg in Gaza und dem weiteren Leid im Nahen Osten mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
„Zu viele Kinder, Frauen und Zivilisten haben durch Israels Reaktion auf den brutalen Terror der Hamas ihr Leben verloren.“ So rief von der Leyen zu einem „sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand“ und zur Freilassung aller Geiseln auf.
Sie versprach eine Aufstockung der humanitären Hilfe, die sich derzeit auf rund 200 Millionen Euro beläuft. Zudem wolle sie ein „viel größeres, mehrjähriges Paket zur Unterstützung einer effektiven palästinensischen Behörde“ schnüren.
„Die Zweistaatenlösung ist der beste Weg, um die Sicherheit in Palästina und Israel zu gewährleisten.“
Dieser Schritt wurde vor allem als Zugeständnis an Länder wie Spanien und Irland sowie an die Fraktion der Sozialisten und Demokraten gesehen. Nach dem 7. Oktober wurde von der Leyen wegen ihrer vermeintlich fehlgeleiteten Botschaften heftig kritisiert.
In ihrem politischen Konzept kündigte sie auch an, dass ihre Kommission eine umfassendere EU-Nahost-Strategie mit Blick ‚auf den Tag nach dem Gaza-Krieg‘ ausarbeiten werde.
Trennung von Erweiterung und Nachbarschaft?
In ihrer Rede in Straßburg bekräftigte von der Leyen, dass die nächste Europäische Kommission der Erweiterung Vorrang einräumen werde. Länder des westlichen Balkans, die Ukraine, die Republik Moldau und Georgien, „haben ihre freie Entscheidung getroffen“, und sehen ihre Zukunft innerhalb der Union.
„Länder in unsere Union einzuladen, ist eine moralische, historische und politische Verantwortung. Es ist eine enorme geostrategische Verantwortung für Europa“, betonte von der Leyen.
„Wir werden die Kandidaten unterstützen, indem wir an Investitionen und Reformen arbeiten und sie, wo wir können, in unseren Rechtsrahmen integrieren (…), und wir werden sicherstellen, dass alle Länder bereit sind, bevor sie beitreten“. Dafür brauche es einen „engagierten Kommissar für Erweiterung.“
Das Erweiterungsportfolio umfasst derzeit die Stärkung der EU-Nachbarschaftsbeziehungen, die Bereitstellung einer glaubwürdigen EU-Beitrittsperspektive und die Unterstützung von Reformen in den neun Kandidatenländern der EU.
Wie Euractiv bereits berichtete, gab es Gerüchte über eine Aufteilung des Ressorts. Dabei ging es um ein Mandat für EU-Beitrittskandidaten, die wahrscheinlich in Zukunft der EU beitreten werden sowie einem Mandat für Länder, die als „nahe Nachbarn“ betrachtet werden, wie die Länder in Nordafrika und im Nahen Osten.
Die Mehrheit der EU-Diplomaten stand einem solchen Schritt positiv gegenüber. Denn die amtierende Kommission hatte in der laufenden Amtszeit häufig zwischen der Führung der EU-Beitrittsgespräche und den Migrationsvereinbarungen mit den südlichen Nachbarn hin und her gewechselt.
Es wird erwartet, dass ein eigenes Ressort den lange vernachlässigten Regionen des Mittelmeerraums mehr Aufmerksamkeit schenkt wird.
Die Beziehungen zur Union für den Mittelmeerraum (UfM), einem Forum, dem Vertreter der EU sowie der Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas angehören, könnten dadurch verbessert werden.
Seit November letzten Jahres wird das Forum als potenzielle Plattform für die Wiederaufnahme der israelisch-palästinensischen Gespräche nach Beendigung des Krieges wiederbelebt, dort würden beide Seiten „auf gleicher Augenhöhe“ sitzen.
Einige EU-Beamte haben jedoch bereits darauf hingewiesen, dass die Aufspaltung zu weiteren Spannungen zwischen dem neuen Mandat und dem Posten des EU-Spitzendiplomaten führen könnte, den voraussichtlich die Estin Kaja Kallas übernehmen wird.
Kallas müsste dann in Zukunft dafür sorgen, dass zwei statt bisher einer Kommissarin auf derselben politischen Linie liegen wie sie und der europäische Auswärtige Dienst (EEAS).
Auch wenn der Chef der EU-Außenpolitik sich normalerweise mit Außenbeziehungen und Sicherheitsfragen befasst und die Kommissare mit bilateralen Programmen und Geldern, gab es in der laufenden Amtszeit der Europäischen Kommission mehrfach Spannungen wegen Übertreibungen bei einigen Themen wie dem Gazastreifen und dem westlichen Balkan.
In der laufenden Amtszeit der Europäischen Kommission kam es mehrfach zu Spannungen wegen Übertreibungen zwischen dem Chef der EU-Außenpolitik und Kommissaren mit bilateralen Programmen. Thematisch ging es dabei unter anderem um den Gazastreifen und den westlichen Balkan.
Darüber hinaus ist unklar, wie der Migrationsaspekt des neuen Mittelmeerressorts mit dem für Migration zuständigen Kommissar koexistieren könnte. Denn es ist wahrscheinlich, dass sich das neue Ressort sich mit den neuen geschlossenen Abkommen mit mehreren Ländern in Nordafrika befassen wird.
Diese wurden zwar von Von der Leyen angeführt, aber von der Generaldirektion für Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen unterstützt.